
»The end of history will be a very sad time. The struggle for recognition, the willingness to risk one’s life for a purely abstract goal, the worldwide ideological struggle that called forth daring, courage, imagination, and idealism, will be replaced by economic calculation, the endless solving of technical problems, environmental concerns, and the satisfaction of sophisticated consumer demands. In the post-historical period there will be neither art nor philosophy, just the perpetual caretaking of the museum of human history.«
FRANCIS FUKUYAMA
The End of History? (1989)
In den alltäglich gewordenen Krisennachrichten und an dem allgegenwärtigen Gefühl der Ohnmacht und Verzweiflung und des Weltschmerzes, den sie in uns auslösen, können wir live beobachten, wie das politische Begehren nach Humanität und Solidarität vor unseren Augen in Zeitlupe zusammenbricht.
Im Rahmen des Programmschwerpunkts »THROUGH THE DARK. Über Leben in autoritären Zeiten« des Volkskundemuseums Wien geht das DISORGANIZED DESIRE SYMPOSIUM von dieser neuen zutiefst verunsicherenden und verwirrenden Normalität aus und stellt die Frage, wie politisches Handeln in dieser orientierungslosen Situation neu gedacht und gemacht werden muss, um uns alle aus dem wahnhaften Strudel des kollektiven politischen Suizids herauszuziehen. Warum aber begehren ‘die Massen’ heute überhaupt den neuen Faschismus? Wie können politische Gefühle wie Trauer, Wut und Angst in Hoffnung, Mut und Freude transformiert werden, um eine Politik jenseits von Fatalismus und Zynismus zu entwickeln?
Die SCHOOL OF POLITICAL HOPE um den politischen Kurator, Organizer und Bildner Georg Blokus und seine Kolleginnen Elisa Calosi und Csenge Schneider-Lonhart (in Englisch) laden zu diesem Anlass politische Bildner:innen, Aktivist:innen, Organizer:innen, Theoretiker:innen und Künstler:innen ein, um in Talks, Workshops und Diskussionen miteinander zu sprechen und voneinander zu lernen, wie politische Gefühle und Beziehungen organisiert, Geschichten von Klassen- und Migrationserfahrung gegen die Resignation erzählt und der Kampf für eine Welt jenseits der politischen Depression, in der für alle gesorgt ist, wiederbelebt werden können.
Die geladenen Gäste* sind der politische Bildner und Bildungsforscher Jan Niggemann, die Kulturtheoretikerin und Poetin Sofia Bempeza (in Englisch), die Schriftstellerin und politische Kommentatorin Olja Alvir, die Linguistin und politische Bildnerin zu Antirassismus und Klasse Kübra Atasoy und der Autor und Theaterregisseur Yosi Wanunu (in Englisch). Sie unterstreichen den transnationalen, transdisziplinären und transformativen Anspruch des Symposiums zwischen politischer Praxis, Psychoanalyse und Poesie als Methoden für alle, die Impulse und Inspirationen für eine strategische Arbeit mit politischen Gefühlen suchen und bestehende Ansätze nicht als der Weisheit letzten Schluss ansehen.
Im Rahmen des Symposiums werden die Performance »Situation Room: Wir sammeln Erinnerungen an eine (andere) Zukunft« von Muhammet Ali Baş gezeigt und die Fotografien des Projekts »neighbors« von Florian Rainer ausgestellt.
* Die ursprünglich eingeladenen politischen Bildner:innen von das kollektiv, Rubia Salgado und Gergana Mineva, mussten leider kurzfristig aus ernsthaften gesundheitlichen Gründen absagen.
Überblick
10:00 – 10:45 | BEGRÜSSUNG & EINFÜHRUNG | Von und mit Herbert Justnik (Volkskundemuseum Wien), Florian Rainer (»neighbors«) und Georg Blokus, Elisa Calosi & Csenge Schneider-Lonhart (in Englisch) (SCHOOL OF POLITICAL HOPE)
10:45 – 11:15 | KEYNOTE SPEECH | Lose Your Self: Hoffnung zwischen Not und Wendigkeit von Jan Niggemann
11:15 – 11:30 | PAUSE
11:30 – 12:00 | TALK | Für eine Welt jenseits des kapitalistischen Realismus!: Politische Leidenschaften durch Kultur, Bildung und Organizing kultivieren von Georg Blokus (SCHOOL OF POLITICAL HOPE)
12:00 – 13:00 | WORKSHOP | Politische Gefühle, Beziehungen und Geschichten: Wie wir gemeinsam Fürsorge, Vertrauen und Macht organisieren von SCHOOL OF POLITICAL HOPE
13:00 – 14:00 | MITTAGESSEN | Präsentation der Ausstellung »neighbors« von Florian Rainer
14:00 – 15:00 | WORKSHOP FORTSETZUNG von SCHOOL OF POLITICAL HOPE
15:00 – 15:30 | PAUSE
15:30 – 16:30 | PRESENTATIONS | Was die Welt im Innersten zerreißt: Poesie, Theater und Bildung gegen das Fehlen der Worte von Olja Alvir, Kübra Atasoy, Sofia Bempeza & Yosi Wanunu
16:30 – 17:00 | PAUSE
17:00 – 18:30 | WORKSHOP SESSIONS | Dem Namenlosen einen Namen geben: Miteinander politisch Sprechen und Schreiben mit Olja Alvir, Kübra Atasoy, Sofia Bempeza & Yosi Wanunu
18:30 – 18:45 | PAUSE
18:45 – 19:15 | ABSCHLUSSPRÄSENTATION & ‑DISKUSSION | SCHOOL OF POLITICAL HOPE
19:15 – 19:30 | PAUSE
19:30 – 20:30 | PERFORMANCE | Situation Room: Wir sammeln Erinnerungen an eine (andere) Zukunft von Muhammet Ali Baş
20:30 – 22:00 | ABENDSNACK & ZUSAMMENKUNFT
Programm
BEGRÜSSUNG & EINFÜHRUNG | 10:00 – 10:45
Herbert Justnik (Volkskundemuseum Wien), Florian Rainer (»neighbors«) und Georg Blokus, Elisa Calosi & Csenge Schneider-Lonhart (in Englisch) (SCHOOL OF POLITICAL HOPE)
Lose Your Self: Hoffnung zwischen Not und Wendigkeit
KEYNOTE SPEECH | 10:45 – 11:15
Jan Niggemann (Österreiches Institut für Erwachsenenbildung & Universität Wien)
Es gibt genug Gründe, depressiv zu werden. Aber niemand sucht sich aus, an Depressionen zu leiden, oder schafft ihr Leid allein ab. Es braucht wahrscheinlich Therapie und radikalen Wandel in Kombination. Wenn es stimmt, dass die Melancholie, wie Judith Butler sagt, eine »niedergerworfene Rebellion« ist, dann bleibt zu fragen, ob die Gründe für die Rebellion und ihr Scheitern weiter bestehen. Gefühle von Ohnmacht, Verzweiflung, Angst und Wut sind nicht die praktische Antwort auf das Elend. Aber sie zeigen jeder die eigenen und gemeinsamen Sackgassen, aus denen heraus möglicherweise Umwälzungen stattfinden können. Dazu braucht es vielleicht Formen, sich selbst und die Gegenwart als Dauerschleife zu verlieren. Das Ende der Geschichte ist vielleicht nur das Stoppschild der Imagination. Wir hoffen darüber hinaus.
Für eine Welt jenseits des kapitalistischen Realismus!: Politische Leidenschaften durch Kultur, Bildung und Organizing kultivieren
TALK | 11:30 – 12:00
Georg Blokus (SCHOOL OF POLITICAL HOPE)
Das Psychische ist politisch! In Anlehnung an das Konzept des ›kapitalistischen Realismus‹ von Mark Fisher (2009) bilden das Phänomen der politischen Depression und die ideologische Erzählung der vermeintlichen kapitalistischen Alternativlosigkeit den Ausgangspunkt für die politische Organizing‑, Bildungs- und Kulturarbeit der SCHOOL OF POLITICAL HOPE. In diesem Talk wird die Frage erörtert, welche psychopolitischen Mechanismen, Dynamiken und Strukturen über die letzten Jahrzehnte hinweg dazu beigetragen haben, dass sich Ohnmacht, Apathie und Resignation so stark in Gesellschaft, Betrieben und sozialen Bewegungen haben ausbreiten können. Abschließend werden vielversprechende strategische Ansätze zur Wiederbelebung einer leidenschaftlichen antidepressiven Klassenpolitik durch transformative Organizing‑, Bildungs- und Kulturarbeit vorgeschlagen.
Politische Gefühle, Beziehungen und Geschichten: Wie wir gemeinsam Fürsorge, Vertrauen und Macht organisieren
WORKSHOP | 12:00 – 13:00
SCHOOL OF POLITICAL HOPE
Angesichts der aktuellen psychopolitischen Krise ist es nicht überraschend, dass unzählige Aktivist:innen desillusioniert ausbrennen, viele Bürger:innen frustriert ihr Wahlrecht nicht wahrnehmen und ein anderer Teil der Bevölkerungen weltweit aus Ressentiment gegenüber Parteien, Medien und Politiker:innen gegen ihre eigenen und die Interessen von sog. Minderheiten wählt, weil Populist:innen und Faschist:innen sie damit verführen, dass ihre Stimmen so wieder einen Unterschied machen. Hinter dieser zynischen Kultur des Fatalismus und Nihilismus, die kollektiven Widerstand und solidarisches Handeln in vielen Fällen nahezu unmöglich erscheinen lassen, verbirgt sich ein über Jahrzehnte hinweg tief erschütterter Glauben an Solidarität, eine Veränderbarkeit der Welt und die Vorstellbarkeit einer besseren Zukunft. Die SCHOOL OF POLITICAL HOPE stellt in diesem Workshop ihre Methoden für die Arbeit zur Freilegung von politischen Gefühlen, Beziehungen und Geschichten vor. Gemeinsam erproben wir im Erzählen und Zuhören, wie wir unsere persönlichen Leiden und Geschichten in politische Kämpfe und Systeme der Fürsorge, Vertrauen und Macht transformieren können.
WORKSHOPFORTSETZUNG | 14:00 – 15:00
SCHOOL OF POLITICAL HOPE
Was die Welt im Innersten zerreißt: Poesie, Theater und Bildung gegen das Fehlen der Worte
PRESENTATIONS | 15:30 – 16:30
Olja Alvir (Universität Wien), Kübra Atasoy (Asyl in Not), Sofia Bempeza (Universität für Angewandte Kunst Wien) & Yosi Wanunu (toxic dreams)
Olja Alvir: Zweifelsarbeit im Desillusionsbattalion
Informieren. Debattieren. Kommentieren. Kommunizieren. Reflektieren. Organisieren. Kooperieren. Signalisieren. Solidarisieren. Mobilisieren. Dokumentieren. Posts und Artikel zirkulieren. Fehler korrigieren. Petitionen signieren. Protestieren! Trotzdem immer verlieren. Was tun, wenn die Handlungsoptionen davonbröckeln? Wenn die Ohnmachtsgefühle angesichts des erstarkenden Faschismus und der begonnenen Klimakatastrophe nur größer und größer werden? Zeit für einen kritischen Rückblick auf das eigene politische Handeln. Wo bleiben die Morgensmöglichkeiten? Wie erhält man dreiste Hoffnung aufrecht? Und was hat das alles mit Partisan:innen und Poesie zu tun?
Sofia Bempeza (in Englisch): POETRY as PRACTICE of LOVE and CONTAMINATION
Stell dir vor, du tippst auf einer schwarzen Seite auf dem Bildschirm, ausgehend vom Abgrund des Meeres, der nicht Nichts ist. Meine Seite ist dunkelblau, so durchsichtig wie das Wasser der Ägäis, so dunkel wie die Wellen des Ozeans. Poesie und experimentelles Schreiben sind Werkzeuge, um Erinnerungen, Ideen und Gefühle zu verweben, um Zeugnis abzulegen und um un/mögliche (kollektive) Geschichten zu erzählen. Poesie ist auch ein Werkzeug, um die vorherrschende(n) Sprache(n) zu kontaminieren und zu entwerten, und ein Weg, um unsere Träume und Begehren zu vergegenwärtigen.
Yosi Wanunu (in Englisch): The Versions Game
Der Rashomon-Effekt tritt auf, wenn Menschen ein und dasselbe Ereignis auf sehr unterschiedliche (oft widersprüchliche) Weise beschreiben. Können wir die Rashomon-Methode nutzen, um die komplizierte Geschichte der heutigen politischen Krise zu erzählen? Gibt es eine Möglichkeit, eine Aufführung zu inszenieren, die diesen Dialog der Gegensätze sowohl als Erzählung als auch als Analyse nutzt?
Kübra Atasoy: Rassismuskritik im Spannungsfeld von Recht und Politik
Eine Rassismuskritik zu entwickeln, die historisch-konkret ihre Bedingungen analysiert, und daraus eine effektive antirassistische Praxis abzuleiten, ist nicht nur notwendig, sie ist möglich. Kübra Atasoy teilt ihre Erfahrungen mit rassismuskritischer Bildungsarbeit, die nicht nur die ökonomischen Verbindungen zur Entstehung von Rassismen untersucht, sondern auch nicht-weiße Rassismen inkludiert. Mit Erfahrungsberichten aus der Arbeit von Asyl in Not und den Backstories von Klient:innen zeigt sie, wie wir komplexe Gleichzeitigkeiten nicht nur aushalten, sondern effektiv bearbeiten können.
Dem Namenlosen einen Namen geben: Miteinander politisch Sprechen und Schreiben
WORKSHOP-SESSIONS | 17:00 – 18:30
Olja Alvir (Universität Wien), Kübra Atasoy (Asyl in Not), Sofia Bempeza (Universität für Angewandte Kunst Wien) & Yosi Wanunu (toxic dreams)
Olja Alvir: Das Unmögliche üben oder: Unwahrscheinliche Übereinkünfte wagen
Antifaschismus und Antikapitalismus sind die alltägliche Ausübung des Unmöglichen. Doch wie kommt man an das Unmögliche heran? Auf dem unsteten Terrain der Poesie, natürlich. Wir schmieden Worte für das Unvorstellbare. Dabei dehnen wir nicht nur die individuelle Vorstellungskompetenz, sondern wir testen auch unrealistische Arten der Zusammenarbeit aus. Olja Alvir stellt in ihrem Workshop Techniken für poetisches Schaffen vor und zieht anhand der Prozesse der Poesie Parallelen zum politischen Handeln. Dabei entsteht ein Umweltlabor für waghalsige Wortschöpfungen; ein Krafttrainingszentrum für Sprachutopien. Es gilt nach Frank Ruda: »Inventing a new ink means to speak in an impossible language words that articulate an impossible proposal.«
Sofia Bempeza (in Englisch): POETRY as PRACTICE of LOVE and CONTAMINATION
Poesie ist kein Luxus, sondern »eine lebenswichtige Notwendigkeit«, die dem Unbenannten und noch nicht Gedachten Leben und Stimme verleiht und so die gesellschaftlichen Kräfte überwindet, die die Erfahrungen (schwarzer) Frauen zum Schweigen bringen. Inspiriert von Audre Lordes Standpunkt werden wir* uns im poetischen Schreiben üben, um miteinander in Beziehung zu treten, um un/mögliche Geschichten zu erzählen und uns politisch zu engagieren. Für die Teilnahme sind keine poetischen oder sprachlichen Vorkenntnisse erforderlich – wir* vertrauen auf die Verbindungen zwischen unserer irdischen Umgebung, den polyphonen Geschichten und den Beziehungen zu menschlichen und nicht-menschlichen Freund*innen, unseren Geliebten, den Orten, an denen Leben, Arbeit, Bewegung, Kämpfe etc. stattfinden.
Yosi Wanunu (in Englisch): Are you talking to me?
»Im Gespräch gibt es keine ‘Wahrheit’ zu entdecken, keinen Satz zu beweisen, keine Schlussfolgerung zu suchen. Was zählt, ist der Fluss der Spekulation.« (Michael Oakeshott) An einem bestimmten Punkt haben wir aufgehört zu reden. Ja, wir haben gechattet, gepostet, geschrien und unsere Meinungen von allen Dächern und sozialen Netzwerken kundgetan, aber wir haben uns nicht mehr unterhalten. Wir haben aufgehört, Gespräche auf die altmodische Art und Weise zu führen: Auge in Auge, zuhören, die Sichtweise der anderen Person zulassen und Zeit und Raum geben. Was wird geschehen, wenn wir das Gespräch beibehalten, aber die Debatte unterbinden? Was wäre, wenn wir ein Treffen auf einem öffentliche Platz veranstalten würden, anstatt vor Gericht zu sitzen? Was wäre, wenn die Menschen nicht über ihre unterschiedlichen Versionen eines Ereignisses oder einer sozialen Frage streiten, sondern sich auf dramatische Weise über Ideen unterhalten und versuchen würden, eine gemeinsame Basis zu finden?
Kübra Atasoy: Rassismuskritik im Spannungsfeld von Recht und Politik
In diesem Workshop wird mit den Teilnehmer:innen tiefer in Rassismuskritik im Spannungsfeld von Recht und Politik eingestiegen, wobei den Teilnehmer:innen hier eine Flexibilität eingeräumt wird, ob der Schwerpunkt in der Praxis oder in der Theorie liegen darf. Praxis: juristisches Werkzeug für politische Arbeit – wer Asyl erkämpft, kann auch Delogierungen verhindern. Theorie: race als Erscheinungsform von class – die komplexe Beziehung zwischen race und class am Beispiel Haitis. Besonderen Raum soll die Frage erhalten, wovor wir die Augen verschließen, wenn wir vom Rassismus sprechen.
ABSCHLUSSPRÄSENTATION & – DISKUSSION | 18:45 – 19:30
SCHOOL OF POLITICAL HOPE
Situation Room: Wir sammeln Erinnerungen an eine (andere) Zukunft
PERFORMANCE | 19:30 – 20:30
Muhammet Ali Baş
Wofür lohnt es sich zu kämpfen, wenn nicht für eine Zukunft ohne Krisen? Und wie kann diese (andere) Zukunft uns in unserer Gegenwart von Krisen stärken? Im Rahmen von »THROUGH THE DARK« beruft das Volkskundemuseum Wien gemeinsam mit dem Kurator und Sprachkünstler Muhammet Ali Baş den Situation Room ein – eine performative Versammlung, in der Künstler:innen, Visionär:innen und Besucher:innen gemeinsam eine (andere) Zukunft entwerfen. Eine Zukunft, die noch nicht existiert, aber ermöglicht werden kann. Wie wäre es, wenn alle Bewohner:innen das Wahlrecht hätten, unabhängig von ihrem Pass? Was, wenn Menschen, die vor Umweltkatastrophen fliehen, ein Recht auf Asyl bekämen? Oder wenn Bildung so gestaltet wäre, dass sie vielfältige Perspektiven zulässt? Und wie wäre es, wenn Arbeit als gemeinschaftlicher Beitrag verstanden und ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt würde? Im Situation Room sammeln wir fiktive, persönliche sowie kollektive Erinnerungen an solche (anderen) Zukünfte. Damit wollen wir neue Kraft und Ideen gewinnen, um autoritäre Strukturen zu überwinden, Widerstand weiterzuentwickeln und Solidarät ins Zentrum unseres Zusammenlebens zu rücken. Alle sind eingeladen, ihre Visionen einzubringen!
neighbors
AUSSTELLUNG | Ganztägig
Florian Rainer
Begleitet wird das Symposium von der Ausstellung des Projekts »neighbors« des Fotografen und Soziologen Florian Rainer: In »Nachbarn« geht es um soziale Klassen und Migration. Es geht um Entfremdung und Wiederannäherung. Es geht um die Möglichkeit des Miteinanders, und es wird die augenscheinliche Differenz zwischen Anspruch und Realität interkulturellen Austauschs anhand soziologischer Theorien der letzten hundert Jahre erklärt. Sex und Drogen kommen vor, aber auch Heimwerken und Kindererziehung, das Älterwerden. Die junge Familie wird thematisiert, und wie sie sich in einem nicht gentrifizierten Migrant:innenviertel verhält. Der Text beansprucht nicht nur individuelle Gültigkeit sondern beschreibt auch das linksliberale Mittelschichtsumfeld des Autors. Darüber hinaus werden Mythen des Wiener Alltags thematisiert und geradegerückt. Es ist eine Alltagsgeschichte aus einem der ärmsten Bezirke Wiens (ohne diesen zu benennen), und ein analytisches Framing der Migrationsdebatte.
Mitwirkende

Olja Alvir ist Schriftstellerin, literarische Übersetzerin und Jugologin. Als politische Kommentatorin und Kulturkritikerin publizierte sie Essays und Reportagen in verschiedenen deutschsprachigen Medien, allen voran dem ehemaligen Migrant:innenressort von Der Standard, „daStandard“. Als Lyrikerin ist Olja Alvir Preisträgerin des wirsindlesenswert-Wettbewerbs, zuletzt erschien ihr mehrsprachiger Gedichtband Spielfeld/Špilfeld/Playground (2022). Im April 2025 wurde STOP – From Macho to Davičo im Wiener brut Theater uraufgeführt: Zu dieser Performance über den jüdisch-jugoslawischen Balletttänzer und Antifaschisten Lujo Davičo lieferte Alvir gemeinsam mit Barbi Marković den Text. Die „Jugošlawienerin“ forscht gerade an der Universität Wien zu jugoslawischen Partisan:innen und fragt nach einer Aktivierung des antifaschistischen Erbes im Heute.

Kübra Atasoy ist Vorsitzende des Vereins Asyl in Not, einer politischen Menschenrechts-NGO, die Geflüchtete im Asylverfahren berät und vertritt und daraus politische Kampagnen und Inhalte entwickelt. Sie ist Antirassismus-Expertin (Schwerpunkt Arbeiter:innengeschichte/Klasse und Rassismus), langjährige politische Aktivistin, Rechtsberaterin und Linguistin. In ihrer Bildungsarbeit entwickelt sie politische Analysen zu den Verknüpfungen zwischen Rassismus, Islamismus und Geopolitik und schult zum Organisationsaufbau.

Muhammet Ali Baş studierte Sprachkunst und Ausstellungstheorie und ‑praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien. Als Sprachkünstler arbeitet er interdisziplinär zu Themen wie Sprache, Erinnerung, Repräsentation und Rassismus. In Communityprojekten in diversen Konstellationen vermittelt er künstlerische und literarische Praxen zu Empowerment und Selbstwirksamkeit. Zuletzt arbeitete er als Kurator und Vermittler für die Tangente St. Pölten sowie als Kulturvermittler im Weltmuseum Wien.

Sofia Bempeza ist Künstlerin, Kunst-/Kulturtheoretikerin, Dichterin (she-dandy) und Pädagogin, derzeit Professorin für Kunst und Kommunikative Praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien. Sie* arbeitet oft kollaborativ mit anderen Kulturschaffenden, KünstlerInnen, DichterInnen und Hexen.

Georg Blokus, 1987 in der Nähe von Danzig geboren, ist Psychologe, lebt in Berlin und arbeitet europaweit als politischer Kurator, Künstler, Trainer, Moderator, Berater und Autor mit progressiven sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Kulturinstitutionen und migrantischen Communities. Er arbeitet an der Schnittstelle von Community Organizing, Bildung und Kunst und schafft transformative Räume, in denen Solidarität und Menschlichkeit zur gelebten Erfahrung werden können. Derzeit leitet er die SCHOOL OF POLITICAL HOPE, nachdem er zuvor Director und Head of Organizing Education des Berlin Hub von European Alternatives und der School of Transnational Organizing war.

Elisa Calosi studierte Medien – Kultur – Kommunikation in Deutschland, Frankreich und Bulgarien. Von 2012 bis 2014 war sie Leiterin der Abteilung Kunst und Kultur der Internationalen Elias Canetti Gesellschaft in Ruse (Bulgarien). Im Jahr 2015 war sie Fellow für Kunstkoordination an der Akademie Schloss Solitude. Sie entwickelte und leitete zahlreiche Projekte, von Literaturfestivals bis hin zu Kunstausstellungen, Theateraufführungen und Filmen, mit einem Schwerpunkt auf inklusiven und partizipativen Formaten. Seit 2016 lebt sie wieder in Berlin und arbeitet als freiberufliche Kulturmanagerin für das IIPM – International Institute of Political Murder, die SCHOOL OF POLITICAL HOPE und andere Kulturinstitutionen und politische Organisationen.

Jan Niggemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Österreichischen Institut für Erwachsenenbildung (oieb) und Lektor an der Universität Wien. Er hat Erziehungswissenschaften, Neuere Geschichte und Soziologie an der Freien Universität zu Berlin studiert und an der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu pädagogischer Autorität promoviert. Er arbeitet als Erziehungswissenschaftler, Erwachsenenbildner, Autor, Speaker und Referent im Bereich der außerschulischen kulturellen Bildung und zu Fragen sozialer Ungleichheit in der nonformalen Bildung. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind: Erwachsenenbildung, Pädagogische Autorität, Differenz und Zugehörigkeit, Soziale Ungleichheit, Klasse/Klassismus, Poesie und Ästhetik in pädagogsichen Formaten und therapeutischen Settings, Bildungstheorie und Cultural Studies.

Florian Rainer (*1982 in Leoben, Österreich) lebt und arbeitet als Fotograf, Soziologe und Künstler in Wien. Er beschäftigt sich u.a. mit der biographischen Bedingtheit des Sehens, sozialen Phänomenen in Grenzsituationen sowie Migration und Klasse. Fotografie dient ihm als Methode und Portal.

Csenge Schneider-Lonhart ist eine Kulturorganizerin und Aktivistin. Bei European Alternatives Berlin und der SCHOOL OF POLITICAL HOPE widmet sie sich dem Aufbau mächtiger, transnationaler und intersektionaler Netzwerke, die die Solidarität zwischen Bewegungen stärken. Sie hat in Cluj (Rumänien) Theater studiert, während sie in der lokalen Wohnungsbau-Bewegung mit Social Housing Now und der European Action Coalition aktiv gegen urbane Gentrifizierung und Verdrängung und für das Recht auf Wohnen und die Stadt kämpfte – eine Erfahrung, die ihr Engagement in Kunst, Bildung und Politik geprägt hat. Sie glaubt an die Kraft der Fürsorge, des Vertrauens und der Kreativität als grundlegenden Werkzeugen für sozialen Wandel und den Widerstand gegen Entfremdung und Fremdenfeindlichkeit.

Yosi Wanunu ist Regisseur und Autor, studierte Kunstgeschichte, Theater und Film in Israel, Europa und den USA. Auf seinen mehrjährigen weltweiten Arbeitsreisen trainierte er viele Spieltechniken und Inszenierungsmethoden. Vor seinem Umzug nach Wien im Jahr 1997 lebte und arbeitete er acht Jahre lang in NYC , u.a. im BCBC, im Ohio Theatre, La Mama ETC, im Here und im Ontological-Hysteric Theatre von Richard Foreman. Er ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter des Labels toxic dreams, mit dem er seit 1997 mehr als 80 Eigenproduktionen realisierte. Daneben arbeitet er mit anderen freien Gruppen sowie im Auftrag von Institutionen im europäischen Raum; Vorträge und Lehrtätigkeit im Performancebereich.
Team
Kurator: Georg Blokus
Kuratorische Assistentin: Csenge Schneider-Lonhart
Produktion: Elisa Calosi
Programmleitung: Herbert Justnik (VKM)
Presse: Johanna Amlinger & Gesine Stern (VKM)
Vermittlung: Katrin Prankl & Katharina Richter-Kovarik (VKM)
Produktion: Lena Flatscher (VKM)
Technik: Clemens Posch (VKM)
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